Bar im Europa-Hotel
Die Bar im Europa-Hotel war in Zeiten der Volksrepublik ein Ort, wo man sich gerne verabredete und wohin man ausländische Gäste brachte. Das Lokal wurde von Intellektuellen und Künstlern der nahe gelegenen Kunstkademie rege besucht, es erschienen aber auch Vertreter der Unterwelt. Filmleute nutzten die Bar oft für “Aufnahmen der Großstadt“.
Dekalog, zwei
Dorota (Krystyna Janda), die Hauptprotagonistin des Films, trifft in der Hotelbar einen jungen Mann (Aleksander Trąbczyński), den ihr im Ausland weilender Liebhaber als Gesandten geschickt hat. Diese Szene zeigt mehr als andere in diesem Film die Entfremdung oder gar Abwesenheit des zweiten (neben dem Ehemann) geliebten Menschen im Leben der Frau im vielleicht dramatischsten Moment. Dorota kommt in die Bar direkt aus der Frauenarztpraxis, wo sie dem Arzt soeben ihre Entscheidung mitgeteilt hatte, das Kind abzutreiben zu wollen und um einen Termin für den Eingriff bat. Der durchaus sympathische aber doch völlig fremde Mann in der Bar kann die Lücke nicht ausfüllen, die der Vater des Kindes hinterlassen hat, schon gar nicht in einem so bedeutenden Augenblick. Ihn hätte sie jetzt gern gesehen. Der freundliche Bekannte kann höchstens ein Geschenk überreichen und eine Bitte des Liebhabers überbringen (die Noten aus seiner Wohnung zu holen), während Dorota schon seit einiger Zeit eine Reise und ein Treffen mit ihm im Ausland plant. Der Mann erscheint im Film nur als Telefonstimme, dadurch wirkt seine Abwesenheit noch beklemmender. Es ist die Stimme von Piotr Fronczewski, eines in den 1980er Jahren sehr bekannten Schauspielers. Die Bar eines warschauer Hotels als Ort, an dem die Frau die Abwesenheit ihres Geliebten besonders zu spüren bekommt, ist ein wiederkehrendes Motiv in Kieślowskis Filmen. In Ohne Ende (Bez końca, 1984) sowie in einem anderen Spielfilm über die Beziehung zweier Musiker: Drei Farben: Blau (Trzy kolory: Niebieski, 1993).
